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Julian Napravnik und Lukas Kälble: Zwei, die Beispielen folgen
Der Weg über das College zum Eishockey-Pro ist in den letzten
Jahren immer beliebter geworden. Nico Sturm und Marc Michaelis
sind zwei inzwischen etablierte Akteure aus Deutschland, die
zeigen, dass dieser Weg sogar bis in der NHL führen kann. Zwei
weitere frühere deutsche Nachwuchsnationalspieler haben
ebenfalls die Gelegenheit genutzt, um auf diese Weise auf sich
aufmerksam zu machen.
Der eine wandelt in den Spuren von Marc Michaelis, der andere hat sich auch
eine tragende Rolle in seiner Mannschaft erarbeitet: Julian Napravnik und
Lukas Kälble sind die aktuellsten Beispiele dafür, wie lohnenswert es sein kann,
die Eishockey-Profi karriere über ein US-College voranzutreiben - Napravnik
an der Minnesota State University und Kälble an der Lake Superior State
University in Sault Ste. Marie im US-Bundesstaat Michigan. Beide haben es
trotz der Schwierigkeiten der Pandemie geschaff t, sich in gewisser Weise ins
Schaufenster zu stellen. Und für Napravnik war genau das ein Teil des Plans.
„Ich hätte in die kanadische QMJHL gehen können. Aber ich habe den Weg von
Marc Michaelis, den ich aus Mannheim kannte, über die USHL und die NCAA
verfolgt. Im Alter von 17 Jahren habe ich den dann auch als perfekt für mich
und meine Entwicklung angesehen“, erläutert der 23 Jahre alte Hesse.
Nun ist es durchaus so, dass Napravnik behaupten kann: Mein NHL-Traum
lebt. Der gebürtige Bad Nauheimer hat jüngst sein drittes Jahr an der Uni
absolviert. Mit den Mavericks spielt er in der NCAA, der höchsten College-
Liga in den Vereinigten Staaten. Zuletzt wurde ihm sogar der Award für den
„WCHA Off ensive Player of the Year“ verliehen – als zweitem Deutschen nach
Ex-Teamkollege Michaelis. Im vergangenen Sommer hätte Napravnik bereits
an einem Development Camp in der NHL teilnehmen sollen. Die Einladung der
Nashville Predators lag vor. Die Corona-Pandemie machte seinem Plan aber
einen Strich durch die Rechnung. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Den Sprung über den großen Teich wagte Napravnik nach einer sehr
erfolgreichen Zeit bei den Jungadlern Mannheim (2012 bis 2018). Zunächst
lief der Linksschütze für die Des Moines Buccaneers (USHL) auf. An seiner
Seite: Colin Ugbekile, mittlerweile Nationalspieler und Verteidiger der
Kölner Haie. „Das war sehr wichtig, besonders im ersten Jahr. Mein
Englisch war nicht perfekt. Wir sind immer noch sehr gute Freunde.
Wenn ich in Deutschland bin, verbringen wir viel Zeit zusammen
– meist mehrere Wochen.“ Auch zu seiner Familie pfl ege er
ständigen Kontakt, eigentlich täglich. Über seinen Vater, der eine
Ausschreibung zum Eishockeytraining fand, und seinen drei Jahre
älteren Bruder Kevin, der mittlerweile nicht mehr spielt, kam er zum
Sport. In Bad Nauheim wurde der Grundstein gelegt, ehe Helmut de
Raaf Napravnik nach Mannheim lockte.
Nach zwei USHL-Jahren schloss
Napravnik sich der Minnesota State
University – und Michaelis – an. Beim
Regionalturnier „West“ in Loveland
(Colorado) sicherten sich Napravnik
und sein Team mit zwei Siegen die
Teilnahme am Frozen Four – das
wichtigste NCAA-Event im Eishockey
mit vier Teilnehmern fand im April in
Pittsburgh statt. Im Halbfi nale war
Schluss. Gegen die St. Cloud State
University verlor die MSU knapp mit 4:5,
aber am Einzug in die Vorschlussrunde
hatte auch Napravnik gehörigen Anteil.
Im Team von Trainer Mike Hastings hat Napravnik mittlerweile eine wichtige
Rolle eingenommen. Und das, obwohl der talentierte Deutsche zu Beginn der
Saison in einem Spiel gegen Michigan Tech gar nicht aufgestellt wurde. Das hat
ihn weiter motiviert. „Ich war in diesem Jahr ein Leader, musste vorangehen.
Ich habe Marc (Michaelis war von 2018 bis 2020 Kapitän/Anm. d. Red) zwei
Jahre lang ‚zugeschaut‘, nun trete ich in seine Fußstapfen“, meint Napravnik.
Zum NHL-Debüt (bei den Vancouver Canucks) hat er Michaelis bereits gratuliert.
„Das gibt einen Schub und zeigt, dass der gewählte Weg sinnvoll ist.“ Und
auch Bundestrainer Toni Söderholm nannte Napravnik genauso wie Kälble als
Spieler, die sich in sein Blickfeld bewegt haben.
Kälble wurde in Mannheim geboren und durchlief wie Napravnik die
verschiedenen Nachwuchsmannschaften in der Quadratestadt. Mit dem
Mannheimer ERC gewann er 2012 die deutsche Schülermeisterschaft, mit den
Jungadlern landete er 2014, 2015 und 2016 den Titelhattrick in der Deutschen
Nachwuchsliga. Nach der DNL-Saison 2015/16, in der Kälble Mannheim
als Kapitän aufs Eis führte, folgte der Wechsel nach Übersee. Eine Saison
verbrachte der Linksschütze bei Fargo Force in der USHL, seit 2017 verteidigte
Kälble für die „LSSU Lakers“, führte sie heuer ins Finale der Western Collegiate
Hockey Association – und durch den 6:3-Sieg über Northern Michigan zu
einem historischen Erfolg.
„Es ist ein unglaubliches Gefühl, die WCHA-Meisterschaft gewonnen zu haben
– vor allem in diesem Jahr, in dem es coronabedingt so viele Schwierigkeiten
im Saisonverlauf gab“, sagte der 23 Jahre alte Verteidiger dem Mannheimer
Morgen und ergänzt: „Wir wurden als Mannschaft vor der Saison von vielen
unterschätzt. Da war es nun natürlich umso bedeutender, nach dem Finale
den Pokal in die Luft zu stemmen. Auch für unsere Universität war das ein
besonderer Moment, denn die letzte Meisterschaft, die LSSU gewonnen hat,
war 1996.“ Für eine Teilnahme am Frozen Four reichte es leider nicht.
Im Mai will Kälble, der aktuell sein letztes Semester in „International Business“
absolviert, sein Studium abschließen. Eine Rückkehr nach Deutschland
kann sich Kälble vorstellen, auch wenn es nicht seine erste Option
ist. „Als Mannheimer Junge ist es natürlich ein großer Traum
von mir, eines Tages mit dem Adler-Trikot in der SAP Arena
zu stehen. Als junger Spieler muss ich aber auch schauen,
dass ich in meinen ersten Jahren im Profi -Eishockey eine
gute Rolle spielen kann und viel Eiszeit bekomme. Das wird
ausschlaggebend dafür sein, wohin es mich verschlägt“,
sagte Kälble. Und auch Napravnik muss noch abwarten, wie es
weitergeht.
Ob NHL-Camps stattfi nden oder wie, weiß
noch keiner genau. Zumindest aber hat er
Klarheit, was das Sportmanagement-
Studium angeht. „Für mich hat sich nicht
viel verändert. Das war mein drittes
College-Jahr und ich habe noch eines vor
mir.“ Danach hoff t er auf NHL-Off erten
wie jene von den Predators. „Das muss
dann nicht unbedingt Nashville sein“,
sagt er, „ich halte mir alles off en. Früher
waren die Chicago Blackhawks mein
Lieblingsteam. Das wäre sicher eine coole
Stadt.“