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„Alles nicht hilfreich für die Entwicklung“
U18-Bundestrainer Steffen
Ziesche über die laufende WM,
die schwierige Vorbereitung
und Nachteile für den
deutschen Nachwuchs in
diesen Zeiten
Die U18-Nationalmannschaft unter
der Leitung von Bundestrainer Steffen
Ziesche bestreitet in diesen Tagen die
Weltmeisterschaft in der texanischen
Stadt Frisco, die als Spielort der
Vorrundengruppe B dient, und feiert
dort ihre Rückkehr in die Top-Division
nach dem Aufstieg 2019. Nach einer
komplizierten Vorbereitung hatten die DEB-Junioren immerhin vor Ort noch
den ersten internationalen Vergleich seit Juli 2020. Gegen die lettische
U18 gab es allerdings ein 1:5, den einzigen Treffer erzielte der Kölner Kevin
Niedenz. Zum WM-Start gegen Tschechien hieß es am 26. April 1:3, tags
darauf gegen Gastgeber USA 3:5. Als weitere Kontrahenten warten nun
mit Russland (29. April /23 Uhr deutscher Zeit) und Finnland (30. April /
am Folgetag 3 Uhr deutscher Zeit) zwei weitere Schwergewichte des
Welteishockeys.
Herr Ziesche, mit welchem Gefühl haben Sie die Reise zur U18-
Weltmeisterschaft in den US-Bundesstaat Texas eigentlich angetreten?
Steffen Ziesche: „Mit einem positiven – und mit einer gesunden,
vollzähligen Mannschaft. Das ist eigentlich mein größter Wunsch gewesen.“
Auf wichtige Spieler müssen Sie dennoch verzichten. Wie schwer wiegen
der verletzungsbedingte Ausfall von Haakon Hänelt, der als Kapitän
vorgesehen war, sowie das corona-bedingte Fehlen von Roman Kechter?
Immerhin haben beide regelmäßig Erfahrung in der laufenden Saison der
PENNY DEL sammeln dürfen…
Ziesche: „Haakon war definitiv ein zentraler Baustein. Das gleiche
trifft auch auf Roman Kechter zu, der als Kontaktperson ersten Grades zu
einem positiven Fall in Quarantäne musste und damit raus ist. Das hat uns
alle extrem getroffen, weil es wichtige Spieler sind, die leistungsmäßig
vorangehen wollten und sollten. Die fehlen einem natürlich.“
In Frisco kämpft Ihr Team derzeit um ein Viertelfinal-Ticket. Was ist der
deutschen U18 unter Berücksichtigung all der widrigen Umstände in den
verbleibenden Partien zuzutrauen?
Ziesche: „Wir haben uns bestmöglich vorbereitet und gehofft, dass wir da
so fit wie möglich erscheinen. Diese Dinge liegen zumindest normalerweise
in unseren Händen und das können wir beeinflussen. Es ist umso ärgerlicher,
dass wir die beiden angedachten Testspiele gegen die Schweiz in Phase zwei
nicht hatten, weil wir bis zuletzt wirklich nicht so richtig wussten, wo wir
stehen. Das hat es natürlich schwieriger gemacht. Was ich sagen kann: Unsere
Jungs arbeiten, kämpfen und geben ihr Bestes. Was am Ende des Tages dabei
rauskommt, müssen wir dann sehen.“
Welchen Gegner aus Gruppe B schätzen Sie am stärksten ein?
Ziesche: „Alle Nationen, gegen die wir spielen, sind Weltnationen im
Eishockey. Sie haben alle die Chance, um den Titel mitzuspielen und wollen das
auch. Von daher haben wir die mit Abstand schwerere Gruppe erwischt.“
Die Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt verlief mit dem abrupten Ende
von Phase zwei nach einem positiven Corona-Schnelltest insgesamt alles
andere als optimal. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen?
Ziesche: „Man war darauf sicher ein bisschen besser vorbereitet als bei der
U20, als wir davon ja überrollt worden sind. Von daher konnten und können
wir Coaches das anders händeln. Die Jungs nicht. Für die ist es natürlich eine
Enttäuschung, weil sie trainieren und sich zeigen wollten. Wir sehen den
sportlichen Aspekt genauso. Der ist extrem wichtig – gerade, weil wir auch
durch das unregelmäßige Trainieren während der Saison, das Aussetzen und
den Abbruch der Liga schon einen extremen Wettbewerbsnachteil gegenüber
allen anderen Nationen haben. Von daher war es eine ganz schwierige
Situation, die uns Kopfzerbrechen bereitet hat.“
Für einige Ihrer Spieler waren die Maßnahmen vor der WM tatsächlich
die einzige Möglichkeit, sich nach monatelanger Wartezeit wieder
regelmäßig und intensiv auf Eis zu bewegen, andere dagegen hatten
konstant Trainingsbetrieb und Einsätze im Herrenbereich. Die Folge ist
logischerweise ein großer Unterschied zwischen den einzelnen Spielern.
Wie geht man als Cheftrainer an so eine Situation heran?
Ziesche: „Das ist natürlich auch ein Problem, das wir hatten. Da haben
wir geschaut, was die Trainingseindrücke machen, in welchem Fitnesszustand
sich die Jungs befinden – und danach mussten wir natürlich auch unsere
Entscheidung bei der Auswahl des Kaders richten.“
Waren die spieltaktischen Dinge mit Blick auf die Gesamtsituation vielleicht
etwas mehr im Hintergrund gestanden als gewohnt?
Ziesche: „Nein, die waren natürlich alles andere als zweitrangig. Es ist
im Gegenteil elementar wichtig gewesen, dass wir uns vorbereiten konnten.
Aber es hing immer davon ab: Welche Kaderstärke habe ich zur Verfügung?
Sind wir alle gesund? Können wir so trainieren, wie wir wollen und müssen,
um uns ordentlich vorzubereiten? Das war das Entscheidende. Es ist das
Zusammenspiel von Gesundheit und Vorbereitung – das eine bedingt das
andere.“
Sie haben es vorher angesprochen: Die gesamte Saison 2020/21 war im
deutschen Nachwuchsbereich aufgrund der Umstände sehr schwierig. Wie
viel Nachteil bedeutet die nahezu ausgefallene Spielzeit im internationalen
Vergleich mit Blick auf die Weltmeisterschaft?
Ziesche: „Pauschal kann man das nicht sagen. Aber wenn man sich im
Sport ein bisschen auskennt, dann weiß man: Wenn man ein halbes Jahr
nicht spielen kann und die vorherige Saison auch abgebrochen wurde, dann
verlieren wir extrem viel im Vergleich zu anderen Nationen. Die konnten
weiterspielen – sicherlich auch mit Unterbrechungen hier und da, aber sie
haben weitergespielt. Sie hatten viel mehr Wettkampfcharakter als unsere
Jungs. Und da verliert man eine ganze Menge. Das ist natürlich alles nicht
hilfreich für die Entwicklung.“
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